Geschichte des MPIK
Das Max-Planck-Institut für Kernphysik wurde 1958 unter der Leitung von Wolfgang Gentner gegründet. Es ging aus dem von Walther Bothe von 1934 bis 1957 geleiteten Institut für Physik im Kaiser-Wilhelm/Max-Planck-Institut für medizinische Forschung hervor. Seit 1966 steht das MPIK unter der Leitung eines Direktorenkollegiums. Erste wissenschaftliche Ziele waren die Aufklärung der Struktur der Atomkerne und das Verständnis des Mechanismus von Kernreaktionen sowie die Anwendung atom- und kernphysikalischer Methoden auf Probleme der Kosmochemie. Heute konzentrieren sich die Aktivitäten auf zwei zukunftsträchtige Forschungsgebiete: die Dynamik von Atomen und Molekülen (Quantendynamik) und den Synergiebereich von Teilchenphysik und Astrophysik (Astroteilchenphysik).
Das Zyklotron des Vorgängerinstituts von 1943 war noch bis 1973 in Betrieb. Der erste Tandem-Beschleuniger mit 6 MV wurde 1961 gebaut und 1967 der 12-MV-Tandem-Beschleuniger, der später durch einen Nachbeschleuniger und einen Hochstrominjektor ergänzt wurde. Dazu kam seit 1982 ein 3-MV-Pelletron-Beschleuniger. Die Beschleuniger wurden Ende 2012 stillgelegt. Bereits 1966 kam der erste Staubbeschleuniger dazu. Der Speicherring TSR war von 1988 bis 2012 in Betrieb. Der ab 2004 geplante ultrakalte Speicherring CSR ging 2015 in Betrieb. Seit 2001 werden in einer Elektronenstrahl-Ionenfalle (EBIT) hochgeladene Schwerionen erzeugt und spektroskopisch untersucht. Zur Kernspektroskopie kam u. a. ein Kristallkugelspektrometer zum Einsatz, und zur Vermessung der Fragmente von Kernreaktionen stand ein Q3D-Magnetspektrograph zur Verfügung. Seit 2001 erfolgt die Untersuchung atomarer und molekularer Reaktionen mit Reaktionsmikroskopen. Im 1968 gebauten unterirdischen Low-Level-Labor werden Detektoren für extrem niedrige Zählraten entwickelt und getestet.
Mit Ausnahme der Tandem-Beschleuniger und des Pelletrons waren und sind alle Forschungseinrichtungen und viele weitere Instrumente, insbesondere die Massenspektrometer, mindestens zum Teil Eigenentwicklungen und wurden in den Werkstätten des Instituts gebaut.
1958 Entdeckung des Mößbauer-Effekts (rückstoßfreie Kern-Spektroskopie mit wesentlich höherer Präzision): Nobelpreis 1961.
1958 – 2000 Untersuchung von Kernreaktionen mit Teilchenbeschleunigern (Zyklotron, Tandems, CERN und DESY): Aufklärung der inneren Schalenstruktur, Mechanismus von Kernreaktionen, Struktur der Nukleonen.
1958 – 1962 Untersuchungen zum Betazerfall von 8Li: Entdeckung der Rechtsschraubigkeit des Antineutrinos.
1958 – 1998 Halbleiterentwicklung durch Ionenimplantation in Festkörper.
1958 – 1980 Radioaktive Altersbestimmungen und mineralogische Untersuchungen an Meteoriten, Tektiten (Einschlagkrater: z. B. Nördlinger Ries), Mondmaterial und irdischem Gestein.
1962 – 1989 Strukturen in Anregungsfunktionen von Kernen: Erikson-Fluktuationen bei der Protonenstreuung.
1964 – 2011 Atmosphärische Umweltforschung mit Massenspektrometern an Bord von Raketen, Ballons und Flugzeugen sowie am Boden: Entdeckung der stratosphärischen Hintergrund-Aerosolschicht, Charakterisierung der Zusammensetzung von polaren Stratosphärenwolken.
1964 – 2011 Untersuchung von kosmischem Staub mit Satelliteninstrumenten (Giotto am Kometen Halley, Galileo, Ulysses, zuletzt Cassini-Mission am Saturn).
1967 Definitiver Nachweis des doppelten Betazerfalls durch Massenspektrometrie, seither Suche nach dem neutrinolosen doppelten Betazerfall (Heidelberg-Moskau-Experiment, GERDA).
1968 – 2001 Theoretische Vielteilchenphysik, stochastische Modelle und Quantenchaos.
1973 – 2006 Archäometrie.
Seit 1975 Theoretische Astrophysik: Entstehung des Sonnensystems, Ausbreitung der kosmischen Strahlung, kompakte Objekte.
1976 – 2010 Spektroskopische Untersuchungen von Staubteilchen und Clustern, die möglicherweise im interstellaren Raum vorkommen; seit 1984 lineare Kohlenstoffmoleküle.
Seit 1976 Neutrinophysik mit den Sonnenneutrinoexperimenten GALLEX/GNO und Borexino, dem Neutrino-Oszillationsexperiment Double Chooz und Hochenergie-Neutrinoastronomie mit IceCube.
1977 – 2002 Bestimmung der Spurenelementkonzentration und –verteilung in Meteoriten, Mondgestein, Mineralien und biologischen Proben mit der Protonenmikrosonde.
Seit 1986 Infrarotastrophysik: Instrumentenbau und Datenauswertung für die Weltraumteleskope ISO und Spitzer.
Seit 1988 Entwicklung und Betrieb von Detektoren für die Experimente HERA-B und LHCb.
1988 - 2012 Atom- und Molekülphysik, Laborastrophysik im TSR.
1990 Erste Herstellung von Fullerenen (C60) in chemisch verwendbaren Mengen, seither Darstellung von Derivaten, Polymeren und Einschlussverbindungen der Fullerene.
Seit 1990 Hochenergie-Gammaastronomie mit theoretischen Arbeiten und der Entwicklung von abbildenden Cherenkov-Teleskopen (1992-1998 HEGRA auf La Palma und seit 2002 H.E.S.S. in Namibia, Entdeckung zahlreicher neuer Gammaquellen).
1994 – 2006 Untersuchung der ungewöhnlichen Ozonisotropie.
Seit 2001 Untersuchung atomarer Reaktionen bei Kollision mit geladenen Teilchen oder intensiven Laserpulsen (Femtosekundenlaser am Institut oder Freie-Elektronen-Laser FLASH in Hamburg).
Seit 2004 Theoretische Quantendynamik in starken Laserfeldern und Quantenelektrodynamik.
2005 Entdeckung, dass Pflanzen unter aeroben Bedingungen Methan emittieren.
Seit 2006 Theoretische Astroteilchenphysik, Neutrinophysik und Kosmologie.
2006 - 2012 Erzeugung und Untersuchung ultrakalter Quantengase.
Seit 2007 Präzisionsmessungen an gespeicherten und gekühlten Ionen, Kernphysik mit atomphysikalischen Methoden.
Seit 2009 Suche nach Teilchen der Dunklen Materie mit flüssigen Edelgasen (Xenon).